Asger Jorn, Ohne Titel (1954) Glasierte Keramik, Maße und Verbleib unbekannt Aus: Ursula Lehmann-Brockhaus: Asger Jorn in Italien. Werke in Keramik, Bronze und Marmor 1954-1972. Silkeborg 2007, Abb. 41 (Fotografie © Fondazione Giuseppe Mazzotti 1903)
Asger Jorn, Ohne Titel (1954) Glasierte Keramik, Maße und Verbleib unbekannt Aus: Ursula Lehmann-Brockhaus: Asger Jorn in Italien. Werke in Keramik, Bronze und Marmor 1954-1972. Silkeborg 2007, Abb. 41 (Fotografie © Fondazione Giuseppe Mazzotti 1903)

Es gibt mehrere Gründe, warum in der Nachkriegszeit Keramik eine Konjunktur erlebt und prominente Künstler wie Marc Chagall, Lucio Fontana, Pablo Picasso und auch Asger Jorn in diesem Medium arbeiten. Nicht zuletzt die verschiedenen Facetten der Produktion boten ganz praktisch Ansatzpunkte, Modelle für eine Rekonsolidierung der Gesellschaften im kriegszerstörten Europa zu erproben und zu kommunizieren. Als Material, das sowohl in ganz verschiedenen Bereichen des Alltags und der Kunst als auch zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Kulturen präsent war, erlaubte es Ton verschiedene Ästhetiken miteinander zu kombinieren, sie zu kontrastieren oder auch zu homogenisieren. Im Œuvre von Asger Jorn sehen wir dies gut repräsentiert.

 

Das 1954 entstandene und nur noch in einer Fotografie dokumentierte Werk liefert ein eindrückliches Beispiel für Jorns damaligen Umgang mit Form und Material: Zufällig entstandene Strukturen zeigen, dass der Künstler der frei modulierten Figur und deren Akzentuierung durch die Glasur einen eigenständigen Wert zugesteht, der aus den unvorhersehbaren, zufälligen Prozessen während des Brennvorgangs entstanden ist. Trotz des Schwarz-Weiß-Fotos kann man auf dem Bild sehen, dass Jorns Ankunft in Italien einen in seinem Werk neuartigen Gebrauch von Glasur bedingte. In Albisola begann Jorn, eine leuchtende Kolorierung mit Industriefarben zu verwenden und dadurch Kontraste zu intensivieren. Er übernahm damit den Staffelstab von Fontana, der mit dieser Praxis bereits in den 1930er Jahren als visuelles Oszillieren zwischen Avantgarde und Kitsch begonnen hatte.

 

Diese neuartige Verwendung von Glasur wurde mit einer freien und informellen Behandlung von Ton kombiniert, die traditionelle Verfahren von Töpferei mit kreativen Gestaltungsprinzipien zusammenbrachte. Die in den lokalen Keramikwerkstätten beschäftigten Arbeiter, die ansonsten Alltagsgegenstände produzierten und die Asger Jorn nun als Kooperationspartner in die Produktion seiner Objekte einbezog, erhielten durch ihn die Möglichkeit, sich mit künstlerischen Experimenten zu beschäftigen.

 

Jorns Arbeitsweise resultiert aus seinem vornehmlich in den 1940er Jahren ausgearbeiteten Konzept von Zivilgesellschaft. Unhierarchische Strukturen – so seine Idee – sollten die jeweiligen Kompetenzen der Einzelnen zusammenführen; Kreativität war dabei keineswegs nur auf die künstlerische Arbeit beschränkt. 1954 trug er hierüber auf der Triennale in Mailand einen öffentlich geführten Disput mit Max Bill aus, der damals zum Gründungsdirektor der Hochschule für Gestaltung in Ulm berufen worden war. Während Bill eine Allianz mit der Industrie und die Verbindung von künstlerischer und industrieller Produktion im Industriedesign suchte, kritisierte Jorn dies als eine Vereinnahmung durch den Kapitalismus, dem er ein Miteinander handwerklich arbeitender Gemeinschaften und eine nicht näher definierte Eigenmacht von Kunst gegenüberstellte. Diese Idee einer commune civilis realisierte er in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre zusammen mit anderen in Albisola.

 

Barbara Lange und Marco Barbero